Baurecht | Wer außerordentlich kündigen will, muss dies zügig tun

Montag, 15.März 2021

Baurecht. Die außerordentliche Kündigung eines VOB/B-Vertrags ist nur wirksam, wenn die Kündigung innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund ausgesprochen wird.

OLG Jena, Urteil vom 9. Januar 2020, Az. 8 U 176/19

DER FALL

Ein Bauherr beauftragte einen Unternehmer mit der Herstellung von Wärmeverbundsystemen und Fliesenarbeiten für ein Bauvorhaben. Am 5. Dezember 2011 kündigte der Auftraggeber die dafür geschlossenen VOB/B-Verträge außerordentlich und zahlte nur einen Teil der Vergütung, die der Auftragnehmer gefordert hatte. Seine außerordentliche Kündigung stützte der Bauherr insbesondere auf die Behauptung, dass der Unternehmer am 24. November betriebsinterne Unterlagen gestohlen habe.

DIE FOLGEN

Das OLG Jena sieht die außerordentliche Kündigung als unwirksam an, legt sie als ordentliche Kündigung aus und spricht dem Auftragnehmer einen Vergütungsanspruch in Höhe des Honorars für erbrachte sowie nicht erbrachte Leistungen abzüglich ersparter Aufwendungen zu. Das Gericht sagt zur Begründung, dass auch bei Bauverträgen eine außerordentliche Kündigung nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntniserlangung vom Kündigungsgrund ausgesprochen werden kann (§ 314 Abs. 3 BGB). Hier lagen zwischen Kenntnis vom Kündigungsgrund – dem angeblichen Diebstahl der Unterlagen – und der Kündigung elf Tage. Das hält das Gericht für zu lang und nicht mehr angemessen. Auch wenn der Kündigungsgrund bestanden haben sollte, ist er somit zumindest nachträglich weggefallen und die Kündigung ist als ordentliche Kündigung anzusehen. Für Bauverträge gilt die Auslegungsregel, dass eine außerordentliche Kündigung auch eine hilfsweise erklärte freie Kündigung darstellen kann.

WAS IST ZU TUN?

Die Entscheidung verdeutlicht, mit welchen Risiken es verbunden ist, einen Bauvertrag außerordentlich zu kündigen. Zum einen muss der Kündigende nach Kenntnis eines außerordentlichen Kündigungsgrunds sehr zeitnah die Kündigung aussprechen, um diesen Grund nicht zu verlieren. Ein wichtiger Kündigungsgrund „verblasst“ sozusagen bereits innerhalb kürzester Zeit. Hierbei ist das OLG Jena bei der Bewertung der Angemessenheit sogar strenger als das Arbeitsrecht, das eine Frist von zwei Wochen zwischen Kenntnis und Kündigung als angemessen ansieht. Zum anderen ist eine außerordentliche Kündigung eines Bauvertrags mit einem erheblichen finanziellem Risiko verbunden, und es ist nicht immer eindeutig, wann ein außerordentlicher Kündigungsgrund vorliegt. Für das seit 2018 geltende „neue Baurecht“ wird in Bezug auf die in § 648a BGB geregelte außerordentliche Kündigung und den dortigen Verweis auf § 314 Abs. 3 BGB nichts anderes gelten. Eine außerordentliche Kündigung ist letztlich ein Drahtseilakt, der nicht unüberlegt erfolgen sollte. 

Quelle: Immobilienzeitung vom 11.03.2021 | IZ 10/2021 | Seite 12