Öffentliches Recht | Regelungen für Abstandsflächen gelten auch für Balkone

Mittwoch, 31.März 2021

Öffentliches Recht. Erlaubt eine Regelung in der Landesbauordnung, dass ohne Grenzabstand gebaut werden darf, bezieht sich das nicht nur auf Gebäude, sondern auch auf Anbauten wie Balkone.

OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. Juli 2020, Az. 8 B 10739/20

DER FALL

Ein Eigentümer hatte eine Baugenehmigung für den Anbau von zwei Balkonen und einer Dachterrasse erhalten; dagegen wendete sich eine Nachbarin im Beschwerdeverfahren. Die Anbauten waren allesamt grenzständig errichtet und befanden sich damit innerhalb der Abstandsfläche zu ihrem Gebäude. Die Grundstücke liegen im unbeplanten Innenbereich. Das rheinland-pfälzische OVG hat die Beschwerde zurückgewiesen und das ablehnende Urteil des VG Trier aus der ersten Instanz bestätigt.

DIE FOLGEN

Die Baugenehmigung verstößt nicht gegen nachbarschützende Vorschriften des Abstandsflächenrechts. Insbesondere kann die Nachbarin nicht verlangen, dass die Anbauten um 2 m bzw. 3 m von der gemeinsamen Grundstücksgrenze abrücken. Zwar gilt das Abstandsflächengebot und die Privilegierung aus § 8 Abs. 5 Satz 2 LBO-RP grundsätzlich auch für Balkone. Diese Regelung kommt aber nur dann zum Tragen, wenn der an die Nachbargrenze heranrückende Gebäudeteil überhaupt der Abstandsflächenpflicht unterliegt. Hier aber musste eine Bebauung ohne Grenzabstand zugelassen werden. Dies ist der Fall, wenn zwar der Bebauungsplan eine offene Bauweise verlangt, auf dem Nachbargrundstück aber ein Gebäude ohne Grenzabstand vorhanden ist. Dies gilt ebenso, wenn es für das betroffene Gebiet – wie hier – keine Planvorgabe gibt. Daher muss geprüft werden, ob sich im Rahmen des unbeplanten Innenbereichs die grenzständige Bebauung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Hier gab es in der unmittelbaren Nachbarschaft sowohl Bebauung in offener als auch in geschlossener Bauweise. Daher würde sich sowohl eine Bebauung ohne und eine mit Grenzabstand einfügen. Da auf dem Grundstück der Nachbarin eine Bebauung vorhanden ist, die den Grenzabstand nicht einhält, muss sie eine grenzständige Bebauung ihres Nachbarn hinnehmen. Die Erlaubnis zum Grenzanbau bezieht sich nicht nur auf das Gebäude als solches, sondern auch auf Anbauten wie Balkone.

WAS IST ZU TUN?

Ein Bauherr bzw. eine Bauherrin hat im Rahmen des Abstandsflächenrechts insbesondere bei der Errichtung von baulichen Anlagen oder Anbauten darauf zu achten, ob die landesrechtliche Bauordnung entsprechend § 8 Abs. 1 Satz 3 LBO-RP vorgibt, dass von planungsrechtlichen Vorgaben abgewichen werden kann, wenn der Nachbar an die Grenze gebaut hat. Ist dies der Fall und eine nachbarliche Grenzbebauung besteht, so müssen ebenfalls keine Abstandsflächenpflichten eingehalten werden. Das gilt dann auch für Anbauten und nicht nur für das Gebäude.

Quelle: Immobilienzeitung vom 18. März 2021 | IZ 11-2021 | Seite 12